Wie viel Tierwohl steckt hinter den Siegeln?

Im Supermarkt begegnen uns immer häufiger Fleisch- und Milchprodukte, die mit einem Siegel für Tierwohl versehen sind. Doch was steckt wirklich hinter diesen Siegeln, und wie gut wird das Wohl der Tiere tatsächlich geschützt?

Das Haltungsform-Siegel, eines der bekanntesten Siegel, unterteilt die Tierhaltung in fünf Stufen. Jede dieser Stufen beschreibt einen unterschiedlichen Grad an Tierwohl, aber wie aussagekräftig sind diese Label wirklich?

Stufe 1: Stallhaltung – das gesetzliche Minimum

In der ersten Stufe, der Stallhaltung, entsprechen die Bedingungen lediglich den gesetzlichen Mindestanforderungen. Für Rinder bedeutet das beispielsweise gerade einmal 1,5 m² pro Tier. Schweine haben nur 0,75 m² zur Verfügung und Hühner leben mit 9 Tieren auf einem Quadratmeter. Auslauf oder Zugang zu Freiflächen gibt es hier nicht – die Tiere verbringen den Großteil ihres Lebens im Stall.

Stufe 2: StallhaltungPlus – ein kleiner Schritt nach oben

Die zweite Stufe, StallhaltungPlus, bedeutet eine minimale Verbesserung im Vergleich zur ersten Stufe. Schweine erhalten etwa 10 % mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben. Auch hier gibt es jedoch keinen zwingenden Zugang zu frischer Luft. Manchmal reicht es schon aus, wenn die Tiere mit einem Ball spielen können – das „Plus“ ist hier also oft sehr begrenzt.

Stufe 3: Außenklima – frische Luft und gentechnikfreies Futter

Ab Stufe 3 erhalten die Tiere Zugang zu einem Stall, der an einer Seite offen ist und frische Luft hereinlässt. Zudem wird hier gentechnikfreies Futter vorgeschrieben – eine wichtige Verbesserung im Vergleich zu den ersten beiden Stufen.

Stufe 4: Premium – mehr Platz und Auslauf

In der vierten Stufe, der Premium-Haltung, haben die Tiere nicht nur doppelt so viel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch dauerhaft Zugang zu freiem Auslauf. Diese Stufe stellt eine deutliche Verbesserung dar, auch wenn sie noch nicht die höchsten Standards erfüllt.

Stufe 5: EU-Bio-Siegel – höchste Standards

Die fünfte und höchste Stufe entspricht dem EU-Bio-Siegel. Hier werden die höchsten Anforderungen an Tierwohl, Fütterung und Haltung gestellt.

Wie wird die Einhaltung dieser Standards sichergestellt?

Heike Silber, Abteilungsleiterin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, erklärt: „Im Zuge der Zertifizierung wird die Tierhaltung kontrolliert und die entsprechende Haltungsstufe vergeben. Zusätzliche Labels wie ‚Neuland‘ oder das Bio-Logo sorgen dafür, dass die Produkte strengen Standards unterliegen und verlässlich sind.“

Welche Produkte kaufen die Verbraucher?

Laut einer aktuellen Umfrage zeigt sich ein klarer Trend: 90 % der gekauften Produkte stammen aus der Haltungsform 2 (StallhaltungPlus). Obwohl diese Stufe nur geringfügig über dem gesetzlichen Minimum liegt, wächst die Nachfrage nach Produkten aus den höheren Haltungsformen, was auf ein wachsendes Bewusstsein für Tierwohl hinweist.

Wieviel Tierwohl steckt wirklich hinter den Siegeln?

Trotz der positiven Entwicklung gibt es kritische Stimmen. Verbraucherschützer bemängeln, dass die Haltungsform-Siegel zwar eine Orientierung bieten, aber nicht das gesamte Leben eines Tieres abdecken. Aspekte wie Transport, Schlachtung und Gesundheitszustand bleiben unberücksichtigt. Auch die Kontrolle der Einhaltung der Standards ist nicht immer zuverlässig. Heike Silber sagt dazu: „Die Zertifizierungen berücksichtigen nur einzelne Aspekte der Tierhaltung. Erst ab Stufe 3 lässt sich eine echte Verbesserung erkennen, und erst ab Stufe 4 kann man von einer deutlichen Verbesserung sprechen.“

Fazit: Bewusstsein wird geschaffen, aber es bleibt Luft nach oben

Das Haltungsform-Label hat das Thema Tierwohl stärker in den Fokus der Verbraucher gerückt. Allerdings zeigen die Zahlen, dass 90 % der Fleisch- und Milchprodukte noch immer aus der Stufe 2 stammen, die nur knapp über den gesetzlichen Mindestanforderungen liegt. Das Label kann zudem irreführend sein, da es den Eindruck erwecken könnte, dass die Haltung immer über den gesetzlichen Vorgaben liegt – was nicht immer der Fall ist. Die Kontrolle der Haltungsbedingungen ist noch nicht ausreichend, um sicherzustellen, dass die Tiere wirklich gut behandelt werden.

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